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Die Methode "Sensorische Integration im Dialog" nach Ulla Kiesling®

 

Ulla Kieslings therapeutische Arbeit bei verhaltensauffälligen und behinderten Kindern unterschiedlichster Art und mit deren Eltern, basiert auf der Annahme, dass sich ein Kind nur dann psychisch, mental und physisch "normal" entwickeln kann, wenn seine Sinne im Gleichgewicht sind. Sie arbeitet mit der Methode der „Sensorischen Integration im Dialog", deren Ziel es ist, das Zusammenspiel aller Sinne zu fördern und damit ein physisches und psychisches Gesamtgleichgewicht herzustellen. Ihren speziellen Zugang nennt sie „Sensorische Integration im Dialog“. Im Dialog meint, dass nicht der Therapeut dem Kind den Weg zeigt, sondern ihm hilft, seinen eigenen Weg zu finden. Somit das Kind mit sich selbst in den Dialog kommt. Es beinhaltet auch die Eltern mit einzubeziehen, um über ein besseres Verstehen der Signale der Kinder in oder wieder in den Dialog mit ihren Kindern zu kommen. Kindergarten, Schule und soziales Umfeld werden versucht mit einzubeziehen.

Ein Beispiel

Beispielsweise kann ein Kind eine Überempfindlichkeit des Gleichgewichtssystems aufweisen, d.h. es tendiert dazu, sich an Gegenständen oder in sich selbst (steifes Kind) festzuhalten, um den Körper zu stabilisieren und verweigert zu schaukeln, klettern etc. Gleichzeitig könnte es an einer Überempfindlichkeit der Haut leiden, was sich darin äußert, daß es Berührungen (Haut, Sand, Matsch, Creme, Gras, Marmelade an den Fingern etc.) vermeidet. Immer findet Ulla Kiesling bei diesen Kindern oder auch Erwachsenen eine unterempfindliche Tiefenwahrnehmung: trotz empfindlicher Haut kann eindeutig, großflächig vermittelter Druck durch die Haut (Tiefeninformation), wenn er mit Vertrauen und im Dialog angeboten wird als angenehm angenommen werden. Die empfindliche Haut wird gewissermaßen sediert.


Frühe Kindheit ­ Frühe Hilfen
Die Fähigkeit des Kindes zu kommunizieren
 

Vor ca. 20 Jahren lernte ich Dr. Inge Flehmig kennen. Die bis heute andauernde berufliche und freundschaftliche Verbindung hat meine Arbeit mit Kindern und Erwachsenen und darüber hinaus meine Persönlichkeit nachhaltig herausfordernd beeinflusst. Ihr enormes Engagement, gepaart mit einem außergewöhnlichen Wissen, gab meiner damals eher intuitiven Arbeit ein kreativ gefülltes Fundament. Bei ihr hörte ich zum ersten mal von der Arbeit Jean Ayres. Als Sportlehrerin und ehemalige Leistungssportlerin konnte ich viel Erfahrung und Kenntnisse über Bewegung und den Erwerb hochqualifizierter Bewegungsabläufe sammeln. Rückblickend verstehe ich, dass wir erfolgreichen Sportler, beim Erwerb neuer Techniken, überwiegend auf bereits „erworbenes Können“ aufbauten. Auch im damals so genannten Schulsonderturnen versuchten wir das klassische Prinzip anzuwenden: Was man nicht kann, kann man üben. Was aber macht man, wenn jemand nicht kann? Was bedeutet es, wenn er, sie nicht fühlen können, wie es geht? Wie lernt man fühlen, etwas zu tun? Schon Goethe sagte: „Wenn ihrs nicht erfühlt, ihr werdet es nie erjagen!“


Wir lebten damals auch ganz gut als Sportlehrer mit diesem Ansatz. Nur einzelne Kinder brachten die entsprechende Leistungen von der Motorik und vom sozialen Verhalten her nicht. Das hat sich in letzten 20 Jahren drastisch verändert! Ich halte die Hälfte der heutigen Kinder für bewegungsentwicklungsgestört, mit entsprechenden sozialen, emotionalen und intellektuell zum Ausdruck kommenden Folgen. Bereits vor meinem Studium zur Motopädin/ Mototherapeutin machte ich als Sportlehrein die Erfahrung im Behindertenbereich, dass dieses Prinzip, < zu üben, was man nicht kann > , in keiner weise zufriedenstellend gearbeitet hat. Mein 1. „Lehrjahr“ als ausgebildete Motopädin/ Mototherapeutin an einer Geistigbehindertenschule forderte mich hochgradig heraus gelernte und erfahrene Pädagogik, Didaktik und Methodik in Frage zu stellen. Die mir verantworteten Kinder bewegten sich nur, wenn sie Spaß = Erfolg hatten. Allerdings fehlten den meisten die motorischen Vorraussetzungen. Hier begann gezwungener Maßen mein dialogisches Arbeiten. Diese sogenannten geistig behinderten Kinder ließen sich nicht einfach bewegen, sie wollten ganz individuell angesprochen werden. Jedes wollte, musste und sollte da abgeholt werden wo es in seiner Entwicklung stand. Der Erfolg, bei den damals so genannten „bewegungsfaulen“ Kindern, war unglaublich. Ich begann eine Idee zu bekommen, was es bedeutet, wenn man sich besser fühlen lernt! Der Schwerpunkt meiner inzwischen langjährigen therapeutischen Arbeit mit entwicklungsgestörten Kindern vielfältigster Art (Bewegungs- Lern- Verhaltensstörungen, Autismus, Körperbehinderung, Blind etc.) baut u.a. auf den Ideen von Jean Ayres, der „Sensorischen Integration“ auf. Sie prägte den Satz: „Etwas, was man nicht kann, kann man nicht üben!“ Ich nenne meine Arbeit, wie mein gleichnamiges Buch „Sensorische Integration im Dialog“ nach Ulla Kiesling ®. (verlag modernes lernen, Dortmund, 3. Auflage) Die Feldenkraismethode ist untrennbar mit meinem Denken und Handeln verwoben. Sie beinhaltet im Vorgehen das dialogische Prinzip, verknüpft mit für mich einzigartiger Technik. Über das Erreichen qualitativ besser organisierter Bewegung, bilden sich grundlegende Vorraussetzungen, unsere Gehirn flexibel und kreativ zu nutzen. Diese auf der Erscheinungsebene motorische „Verbesserung“ nimmt Einfluss auf unser soziales, emotionales und interlektuelles Lernverhalten. Wir hören immer, das Kind da abholen wo es ist. Was bedeutet es für die Praxis? Was bedeutet es für die frühe Kommunikation mit Neugeborenen und Kleinkindern?


Wir haben durch das bessere Verstehen von komplexen Zusammenhänge der normalen Entwicklung von Babys vom 0 - 1 1⁄2 Lebensjahr gelernt, zu erkennen, dass das behinderte, oder nur lernbeeinträchtigte Kind, zum Beispiel mit 7 Jahren, nicht die motorischen Qualitäten (z.T. auch Quantitäten) der verschiedenen Entwicklungsstufen bis zum 1 1⁄2 Lebensjahr erreicht = „erreift“, sie zum Teil gar nicht durchläuft. Hieraus haben sich viele Techniken entwickelt, die in vielfältiger Weise versuchen „nachzuholen“ was zum richtigen Zeitpunkt verpasst wurde. Gelingt es die Qualität der Motorik auf das Lebensalter „nachreifen zu lassen“, verschwinden interessanter Weise viele Symptome z.B. im sozialen Verhalten und Lernverhalten (Lern- vermögen!). Von den gesunden Kindern haben wir unser Wissen über die Abweichungen bei den gestörten, behinderten Kindern erworben.. Jetzt scheint es, dass wir den umgekehrten Weg gehen müssen. Von der Arbeit mit den Behinderten kommen wir zurück, zu den eigentlich gesunden Kindern, bzw. Eltern, die in der heutigen Zeit hochgradig von Wahrnehmungsstörungen bedroht sind. Dies bedingt durch eine Steh- Sitz- und Fahrgesellschaft in der alles immer cooler durchorganisiert wird. In der Emotionalität auf der Strecke bleibt, fehlende Beachtung zu Mangel an Achtung unter den Mitmenschen führt. Die Fähigkeit zur Kommunikation, zum dialogischen Miteinander ist in vielen Bereichen nicht vorhanden. Dabei werden wir bereits mit dieser Fähigkeit geboren, sofern in der Schwangerschaft, bei der Geburt keine Komplikationen auftraten, eine für Mutter und Kind nicht existenziell lebensbedrohende Situation stattfand.


Das Kind da abholen, wo es ist, bedeutet seine Sprache(n) zu sprechen. Neugeborene sprechen neben

 zufriedenem Schnalzen oder Weinen eine deutliche mannigfaltige Sprache über den Körper. Körpersprache ist in den ersten Monaten mit ihr stärkstes Ausdrucksmittel. Die Muskelspannung bei der Bewegung, in Verbindung mit der Mimik sagt uns viel über die Stimmung, aber auch über die Bedürfnisse der jüngsten Erdenbürger. Sie gibt uns auch erste Hinweise (ab ca. 6. Lebenswoche), wenn die Entwicklung aus multiplen möglichen Gründen beginnt von der Norm abzuweichen! Die Muskelspannung drückt Aufregung, Interesse, den Grad der Wachheit oder des Schlafs, Traurigkeit, Schmerz, Freude, Zufriedenheit, Wut und Hunger aus. Sie ist variabel höher oder niedriger. Die Pathologie liegt im permanent zu hohem oder zu niedrigem Tonus, in zu extremen Schwankungen oder symmetrischen Abweichungen. Der Zustand „Ich fühl mich gut“ (ich bin leistungsbereit) werden Sie mir bestätigen, liegt in der Mitte zwischen den Extremem von Verspannung und Schlaff. (Bitte nehmen Sie jetzt auf ihrem Stuhl sitzend einmal eine extrem schlaffe Haltung ein. Ja, viele werden sich jetzt auch so fühlen wie sie aussehen! Und nun genau das Gegenteil. Setzen Sie sich bitte so verspannt wie möglich hin. Sie werden merken, beides ist sehr anstrengend und nicht förderlich meinem Vortrag mit Leichtigkeit weiter zu folgen. Unkonzentriertheit, Müdigkeit, schlechte Laune, Faulheit? usw. treten als Symptome auf.) Genau diesen Zustand versucht der gesunde Mensch ununterbrochen zu verhindern. Aber was machen wir, um die gut regulierte, der gewünschten Tätigkeit entsprechende Körperspannung zu erreichen?


Wir bewegen uns! Würden wir sie alle mit einem Zeitraffer filmen, dann würden einige von ihnen erstaunt sein, wie „zappelig“ (hyperaktiv?) sie auf dem Stuhl verbannt, meinem Vortrag folgen. Wir sind immer ununterbrochen mit unserer Selbstregulation beschäftigt. Je weniger man im Gleichgewicht ist, je mehr Bedarf an Bewegungsnahrung, bzw. Missempfinden bei Bewegung, im ganzen Sein entsteht. Die Norm liegt immer zwischen den Extremen und pendelt mit mehr oder weniger großen Ausschlägen um die ideale Mitte. Je besser ich mich fühle, je mehr bin ich im Gleichgewicht. Kommen wir zu den neugeborenen Kindern. In den letzten Monaten der Schwangerschaft war es sehr eng und jede Eigenbewegung und Bewegung der Mutter gaben dem Kind, wie von Beginn an sensorische Reize, sensorische Nahrung. Die Enge der letzten Zeit verstärkte die propriozeptiven Reize, neben den taktilen und vestibulären. Das Kind hat seine Hörfähigkeit sehr ausdifferenziert und alle genannten Systeme nehmen Einfluss auf die Entwicklung. Auch auf die Entwicklung der Tonusregulation, als wichtige Grundlage für jegliches weiteres Lernen nach der Geburt, für die Aufrichtung des Menschen entgegen die Schwerkraft.


Im Bauch der Mutter war also alles so geregelt, dass sich das Kind notwendige Entwicklungsreize (Bewegungsreize) selber holen konnte, gegebenenfalls die Mutter durch gezielte Tritte auf die Blase oder unter die Rippen in Bewegung brachte. Jetzt nach der Geburt (physiologische Frühgeburt) braucht der Mensch als Nesthocker Brutpflege. Er ist darauf angewiesen von den Eltern die leibliche Nahrung zu bekommen, aber auch die sensorisch – motorisch – emotionale – geistige und sprachliche Nahrung muss von außen kommunikativ an das Kind gebracht werden, damit es sich von innen heraus ent- wickeln kann. Von der ersten Minute im Leben nach der Geburt, ist das Kind bereit zu kommunizieren, zu lernen und zu reifen. Dafür braucht es bestimmte Bedingungen.


Die Fähigkeit zu Kommunizieren wird mit Sinnesnahrung genährt! Ja eigentlich wird sie erst unter Einbeziehung von sogenannter Sinnesnahrung möglich. Im folgenden Video werde ich verdeutlichen was ich damit meine.
Pauline ist 5 Tage alt, Herr Dr. Flehmig (Kamera) und ich haben vor, ihre Dialogfähigkeit (verbundenen mit meiner) mit der Kamera einzufangen, unter Einbeziehung therapeutischer Prinzipien aus der „Sensorischen Integration im Dialog“.


Diese Prinzipien beinhalten nicht das Kind einfach mit Sinnesreizen zu füttern! Sie beinhalten, ihm Angebote zu machen, auf eine Antwort zu warten und entsprechend weitere, oder andere anzubieten. Ein Dialog dieser motorisch- sensorischen Art geht davon aus, dass das Kind sehr wohl hochkompetent ist, wahrzunehmen, was es braucht um zu reifen und dass es in der Lage ist, aus dem nötigen Angebot sinn – voll zu wählen. Diese Kompetenz, von beiden Gesprächpartnern vorrausgesetzt, bildet die Grundlage zur Kommunikation, zum Dialog = Zwiegespräch. (Die Wahl der Angebote bei einem entwicklungsgestörten Baby bedarf grundlegender Kenntnisse, Ausbildungen und Erfahrung!)

 

Ich begebe mich auf die Ebene, auf der Pauline „mitreden kann“, auf ihre Kommunikationsebene. Wir üben (spielen) was sie kann! Professor Papoucek zeigte in seinen Forschungen zum Teil minuziös auf, wie Eltern (sowohl Mutter als auch der Vater) intuitiv auf die Körpersprache ihrer neugeborenen Kinder reagierten und in den mimischen, verbalen, singenden und körperlichen Kontakt gingen. Meine Erfahrungen in den letzten fünf Jahren deuten auf zunehmende Kommunikationsstörungen bei Eltern, bei Erwachsenen hin. Die Kinder werden mehr und mehr zu Symptomträgern. Erschreckend vielen scheint das Gefühl aus dem Bauch heraus mit dem Kind zu sein, zu kommunizieren verloren zu gehen. Mit dem Kind zu sein, sich einzulassen, sich Zeit zu nehmen (bedenken Sie, Zeit steht uns unendlich, nur vom Tod begrenzt zur Verfügung!) passt nicht in diese betriebsame, durchgestylt und organisierte, vom Wahn der Selbstverwirklichung bestimmten, cool und easy going laufenden, bzw. rasenden Zeit.


Uns Therapeuten werden die gestörten Kinder geschickt, aber wir werden zunehmend hilfloser, die Eltern, als wichtigste Wegbegleiter zu erreichen, im Innersten zu berühren, in Bewegung zu bringen. (Die Zunahme der Kurse in „Elternschulen“ hat sich vervielfacht!!!) Die Grundlagen der „Sensorischen Integration im Dialog“ sind sehr umfassend und darum auch in der folgenden Ausführung aus Zeitgründen nur unvollständig angedeutet. Ich bitte dies zu entschuldigen und lade die Zuhörer ein, bei Interesse mein genanntes Buch, sowie „Bausteine der kindlichen Entwicklung“, Jean Ayres, Springer- Verlag zu lesen. Ayres ging davon aus, dass das Zusammenspiels der sogenannten Basissinne: Gleichgewicht (vestibuläres System), Haut (taktiles System), Tiefeninformation (propriozeptives System) mit den Fernsinnen: Riechen, Schmecken, Fühlen, Sehen, Hören zur

 individuellen, idealen Entwicklung mit die wichtigste Vorraussetzung ist. Spielen diese Sinnessysteme gut zusammen, „haben wir alle Sinne beisammen“, sind wir ausgeglichen zufrieden und leistungsbereit, das Leben zu meistern und Freude daran zu haben, wir sind im Gleichgewicht!


Im Video sehen Sie leider nicht, das ich mich der fest schlafenden Pauline zunächst über den „Kanal“ des Hörens nähere. Sie gewissermaßen langsam, zunächst über die Schwingung des Tones berühre. Ich singe ihren Namen, vielleicht ist er ihr schon etwas vertraut, denn meine Stimme ist ihr noch fremd. Babys sind gleich nach der Geburt in der Lage die Stimme der Mutter von anderen zu unterscheiden!


Papoucek zeigte auf, dass Eltern in der ganzen Welt singend im Pentathonraum (fünf auf der Tonleiter hintereinander folgende Töne) mit ihren Neugeborenen sprechen. Damals kannte ich, den von mir hochgeschätzten, inzwischen leider verstorbenen, hoch sinnlichen Forscher und seine Arbeiten noch nicht. So habe ich unwissend, vielleicht untherapeutisch (?, oder macht es einen Therapeuten erfolgreicher von Zeit zu Zeit, bei aller notwendigen Professionalität, einfach auch mal nur menschlich, aus dem Bauch heraus zu agieren?) den Dialog mit vertrauter Tonfolge begonnen. Sie erinnern sich, wir starten den Dialog mit dem, was ein Kind kann, kennt und hoffentlich mag. Wir üben nicht, was ein Kind nicht kann, wenn wir uns gemeinsam in einen Dialog begeben.


Video:
Ich rede mit Pauline und gleichzeitig nehmen wir über die Tiefeninformation Kontakt, Gefühl auf. Sie wird immer wacher, was die vermehrten Eigenbewegungen verdeutlichen. Ihre Arme bewegen sich in den Raum streckend. In den letzten Monaten war das „Ankommen an die Uteruswand“ bei diesen Bewegungen vertraut. Es gab ihr ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, hier bist du, ein Gefühl der Form (in Form sein? aus der Form kommen?) und des Raums. (Um Mathematik zu verstehen, müssen wir Form und Raum begriffen haben, ebenso um Schreiben zu lernen!!


Jetzt muss alles neu, anders, mit schon Bekanntem im Gehirn verknüpft werden.


Die Augen bleiben noch eine ganze Weile geschlossen. Sie sendet Laute der Anstrengung. Der Übergang von Schlaf zu Wach in der Welt der Luft wurde noch nicht oft erfahren. Es bedarf Energie, einer gewissen Anstrengung, vor allem, wenn wir geweckt werden, wenn auch sehr sanft.


Kurze Zeit später sehen wir im Video, dass ihre Lautsprache sagt, ich fühl mich gerade nicht gut. Sie „gnattert“. Mit Tiefeninformation auf das Brustbein und singender Sprachmelodie fühlt sie sich mehr - wieder besser, kommt zurück ins Gleichgewicht. Sie zieht ihre Beine etwas beugend gegen die Schwerkraft. Ich nehme diesen Bewegung von ihr auf und verstärke sie, helfe ihr dabei. Pauline beginnt die Augen zu öffnen, als ich ihre Beine, Hüfte entgegen der Schwerkraft beuge, etwas zurück in die Haltung in Uterus. Rhythmisch und mit sprachlicher Begleitung biete ich ihr Nahrung zum Fühlen über die Sinne an.


Sie beginnt einen Finger an den Mund zu bringen und ich verbalisiere ihr Tun. Ihr anschließendes Recken und Stecken bewegt mich, sie heraus zu nehmen aus dem Bettchen. Dazu rolle ich sie auf meine Hand vom Rücken in die Bauchlage und nehme sie rückwärts, der Kopf hängt dabei nach vorn, an meinem Körper hoch (Handling). So wird Pauline auch in wenigen Monaten lernen, die Schritte zum aufrechten Gang zu erwerben. Über die Seite rollend auf den Bauch und zurück, zum Robben, zum Krabbeln, zum (Still-)Sitz, zum Stand, zum Laufen und Springen, zum Leben. Mit dem Kopf aus der Rückenlage senkrecht hoch zu kommen, ist eine gute Lektion für den Leistungssportler (mit gesunden Bandscheiben!), um seine Bauchmuskeln zu trainieren. Für Babys ist es aber nicht so geeignet, auch oder gerade weil sie es noch nicht mit Bewusstheit selber machen. Der Weg über die Seite bahnt andere, wichtige Bewegungsmuster.


Ich lege sie auf das Bett der Mutter und bringe sie in eine sichere Haltung für ihr Gleichgewicht, den Kopf stützend. Unser Augenabstand beträgt ungefähr 30- 40 cm. Hier kann Pauline am besten fixieren. Ich suche den Blickkontakt, fange ihn ein und sie folgt mir nach links und zurück. Den Kopf stütze ich vollkommen ohne Führung. Paulines Augen folgen meinen. Den Kopf dreht sie dafür allein. Werde ich zu schnell, verliert sie mich. Ich muss mich auf ihr Tempo einstellen!


Würde diese Erkenntnis doch mehr Einzug in den Schulalltag nehmen, bei unseren verlangsamten begabten Kindern! Für viele Kinder (Flippies) wäre es sicher nicht schlecht etwas beweglichere und „flottere Lehrer“ zu haben. Haben Sie mal darüber nachgedacht, dass nur der gut sensorische integrierte schnelle Mensch sich auf den langsamen einstellen kann, aber niemals der langsame Mensch auf den schnellen?


Lassen Sie sich bitte zu einer kleinen Selbsterfahrung einladen. Stellen Sie sich bitte vor Ihren Stuhl. Nehmen Sie war, wie Sie auf beiden Füßen im Kontakt zum Boden sind, die Höhe Ihre Schultern, der Abstand der Ohren zur rechten und linken Schulter. Die meisten werden sich relativ symetrisch fühlen. Schauen Sie nun seitlich hinter sich. Wie weit können Sie ohne Krafteinsatz sehen? Merken Sie sich dort ein Zeichen zur Erinnerung und probieren Sie die andere Seite.


Setzen Sie sich bitte vorn auf die Stuhlkante. Bewegen Sie nun ohne Kraft und Anstrengung den Kopf zu einer Seite. Wiederholen Sie dies einige Male. Welche Seite habe Sie gewählt? Zufällig diese erste? Versuchen Sie es mit der gleichen Leichtigkeit, ohne Kraft zur anderen Seite. Bleiben Sie im „Spiel“. Lassen Sie es nicht knirschen wie bei einer alten Tür! Gehen Sie mit sich in den Dialog! Haben Sie einen Unterschied festgestellt? Hat Ihr Nervensystem Ihnen den leichteren Weg zu erst vorgeschlagen? Die meisten werden mit ja antworten. Von den anderen erfahre ich bei meinen Fortbildungsveranstaltungen, zu einem hohen Prozentsatz, dass sie sich das Leben auch sonst oft schwer machen, öfter erst den steinigeren Weg wählen.


Ich möchte Sie etwas fragen. Was beginnt und führt die Bewegung von eben? Der Kopf oder die

 Augen? Probieren Sie es mit der 1.Wahlseite aus. Nicht immer nehmen alle das Gleiche war und doch gibt es hierbei eine Wahrheit. Bitte bewegen Sie jetzt ohne lange zu überlegen die Augen ohne den Kopf zu einer Seite. Schnell und wiederholen Sie es. Gut, fast allen gelingt es ohne großartig den Kopf zu beteiligen. (Langes Computertraining?) Jetzt genauso schnell, ohne groß zu denken, den Kopf zur Seite drehen, ohne die Augen. Sie werden merken, dass dies eine ganz andere Organisation ist. Eine ungewohnte, nicht auf viele Erfahrungen zurück greifende. Einige schütteln den Kopf, wurde Ihnen schwindelig? Wir haben neben den Propriozeptoren, schwerpunktmäßig an Nacken und Augen auch das Gleichgewichtssystem herausgefordert. Stellen Sie sich wieder hin, schließen Sie die Augen und vergleichen beide Körperseiten in der Länge, Breite, Erdung, Abstand der Ohren zu den Schultern. Stellen Sie Unterschiede im Vergleich zu vorher fest? Wie sieht es mit dem Drehen aus? Zur einen und zur anderen Seite?


Setzen Sie sich bitte wieder und bewegen Sie jetzt den Kopf zur Seite der 2. Wahl. Lassen sie ihn dort und gehen nur mit den Augen wieder zurück. Spielen Sie ca. 8 mal damit und kommen Sie wieder mit dem Kopf zur Mitte. Kurze Pause. Nun bewegen Sie die Augen zu dieser Seite und der Kopf bleibt. Sie stellen fest, Augen und Kopf können unabhängig voneinander in die beiden Richtungen gehen. Dann lassen Sie uns diese Fähigkeiten verbinden.


Die Augen gehen von der Mitte aus zur einen Seite und der Kopf zur anderen, wieder zurück und noch einige Male. Sie treffen sich immer wieder in der Mitte. Kurze Pause. Noch ein letztes Spiel. Augen und Kopf gehen zur Seite der 2. Wahl, bleiben dort und nur die Augen gehen noch weiter zur Seite und kommen wieder zurück zum Kopf. Kopf bleibt auf der Seite. Versuchen Sie die Augen auf der waagerechten Linie seitlich weiter gehen zu lassen, sie nicht nach unten rutschen zu lassen. Jetzt bewegen Sie die Augen zur Mitte, aber der Kopf bleibt auf der Seite. Sollte jemandem dabei schwindelig werden bitte kleine Pausen selbstständig einlegen! Wem es zu einfach ist, bitte die Zunge noch rhythmisch nach vorn strecken und wieder einziehen, nicht zur Seite, nach vorn.
Zum Schluss Augen und Kopf einsammeln und alles zurück zur Mitte bewegen. Wie können Sie jetzt im Sitzen nach rechts und links sehen? Ist etwas anders als zu Beginn unsere kleinen Lektion? Stellen Sie sich bitte noch einmal hin und testen Sie sich selbst. Hat sich etwas in der Qualität der Umsichtigkeit (wer kann sich umsichtig verhalten?) verändert? Der ein oder andere wird vielleicht auch merken, dass die Aufrichtung gegen die Schwerkraft anders wahrgenommen werden kann.


Ich sehe auch Ihr Sitzen hat sich verändert. Sie sehen noch aufmerksamer aus und wacher. Sie hatten einen Dialog mit sich selbst, über den Körper.


Pauline möchte kommunizieren, sie ist bereit. Aber sie braucht Bedingungen. Stellen wir die Bedingungen = Gleichgewicht her, sind wir sofort mit ihr im Dialog und lernen. Kommunizieren bedeutet immer verknüpfen von Bekanntem mit Neuem = Lernen. Daraus entsteht wieder etwas Neues. Dies braucht Raum fürs vertraut werden. Es muss benutzt werden, abgerufen, verstärkt, anerkannt und erkannt, variiert, herausgefordert und beachtet werden. Pauline kann gleich nach der Geburt in den Blickkontakt gehen. Eine Fähigkeit, die vielen Menschen heute schwer zu fallen scheint. Warum? Haben Sie keine guten Bedingungen mehr um sich ins Gleichgewicht zu bringen? Beobachten Sie mal die Menschen auf der Straße im Gespräch.


Pauline wurde 9 Monate ununterbrochen, zum Schluss auf engstem Raum geschaukelt. Sie sehen wie wach und zufrieden sie sich in einer „uterusähnlichen“ Situation auf meinem Arm fühlt. Menschen sind physiologische Frühgeburten und müssen weiter getragen werden. Schauen wir uns noch eine kurze Szene an, in der Pauline einen Monat alt ist. Wieder bringe ich sie für den Dialog ins Gleichgewicht. Der Kopf muss noch gestützt werden, ich wähle wieder die singende Sprache und suche den Blickkontakt. Ein Lächeln belohnt mich. Dann verlagere ich sie, Pauline kommt kurz aus dem Gleichgewicht, die Kommunikation ist unterbrochen. Sie kann sie noch nicht allein herstellen, wirkt etwas verloren. Sie ist auf „Brutpflege“ angewiesen. Bei den Fohlen auf der Weide ist es anders.


Habe ich für sie wieder „Lernbedingungen“ hergestellt, findet wieder Kommunikation über Sprache, Körper und bereits Nachahmung statt. Ihre Mitteilsamkeit, ihre Aufmerksamkeit sehen wir noch einmal in der Hängemattensequenz. Ich glaube es wird deutlich, wie phantastisch man mit den Kleinsten spielend kommunizieren kann und es verlorenen Zeit ist, diese wichtige Phase der Lernbereitschaft nicht sinn- voll zu verbringen.


20 Tage später zeigt sich Pauline schon viel kompakter und noch ausdrucksstärker. Lassen wir die Bilder sprechen. Sie reagiert sofort auf meine Mimik, verbunden mit inzwischen wohlvertrauter sprachlicher Verstärkung. Kommunikation beim Anziehen. Viele Kinder ertragen es nicht auf dem Rücken liegend (schwerste Lage für das Gleichgewichtsystem!) an und ausgezogen zu werden. Es lässt sich mit etwas Erfahrung auch auf dem Schoß mit viele Spaß und Spiel bewerkstelligen. Pauline ist hungrig und müde, aber wir haben das Beste versucht draus zu machen. Mit 3 Monaten zeigt Pauline deutlicher was sie von und mit mir möchte. Ihre motorischen Fähigkeiten haben zugenommen, der Wille drückt sich eindeutiger aus. Mich erstaunte immer wieder diese unglaubliche Aufmerksamkeitsfähigkeit, die hohe Konzentration über lange Phasen hinweg. Und dies gleich von Geburt an, mit wachsender Intensität. Alles wird für Pauline zum Abenteuerspielplatz. Ihr Körper, der Spiegel, die Matte, Spielzeug usw. Alles möchten sie spielerisch be- greifen, er- fassen, langsam ver- stehen und erforschen. Wenn wir Kindern mit dieser Beachtung und Achtung begegnen, werden sie sich selbst und anderen Mitmenschen mit Achtung gegenübertreten. Eine wichtige Vorraussetzung für wahre Kommunikation.
 

©2025 "Sensorische Integration im Dialog"

nach Ulla Kiesling®

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